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Kapitel 12 - Sverige, tack för allt!

:Rückfahrt nach Hamburg

Ist das wirklich passiert?

Der Schock sitzt immer noch tief. Dieses Kippen, dieser dumpfe Schlag, dieser Moment, in dem alles stillsteht, das hängt uns noch in den Köpfen. Überall tuscheln kleine Grüppchen über das gleiche Thema, als hätten wir den Unfallort bis jetzt nicht verlassen. Aber das Beste: Wir können inzwischen alle darüber lachen.

„Wir sind jetzt offiziell die, die mit einem Wohnmobil umgefallen sind“, sagt jemand beim Frühstück, „und danach einfach weitergemacht haben, als wäre nix gewesen.“
Wir grinsen. Ein bisschen stolz. Ein bisschen verrückt.

Plan: Einfach nur nach Hause

Heute soll’s nur noch zurückgehen. Keine Experimente mehr, keine Umwege. Von unserem Haus runter nach Stockholm, von Stockholm nach Linköping, eine Nacht im altbekannten „lustigen“ Hotel, dann weiter Richtung Hamburg. Klingt einfach. Wäre da nicht dieser lecke Kühlschlauch, der uns seit Tagen beschäftigt.

Also Motorhaube auf. Schlauch prüfen. Nass wie ein Schwamm.
„Na super“, murmele ich, „das ist ja fast schon Kunst, wie das Ding sabbert.“
Zum Glück haben wir noch etwas Tape. Und Hoffnung. Nur die Kühlflüssigkeit selbst fehlt.

 

Der Schrauber aus dem Bilderbuch

In der Nähe gibt’s eine kleine Werkstatt. Wir rollen hin, halb betend, halb fluchend. Ein Schwede kommt aus der Halle, begrüßt uns auf Schwedisch und redet einfach drauflos. Wir nicken höflich, verstehen kein Wort und er redet weiter.

Erst als er merkt, dass unsere Gesichter ungefähr so leer wirken wie unser Kühlbehälter, hält er kurz inne. Dann wechselt er ins Englische und lacht.

„Ah, not Swedish, okay!“

Wir erklären das Problem: undichter Kühlschlauch, kein Kühlmittel. Er kratzt sich am Kopf, murmelt etwas Unverständliches und sagt schließlich: „No coolant… but maybe something else.“

Er winkt mich mit hinter die Halle. Dort steht ein alter Land Rover Discovery, selbes Baujahr, gleiche Karosserie, nur deutlich mehr Moos auf dem Lack. Ein Teileträger.

„This one,“ sagt er und klopft liebevoll auf die Motorhaube. „Maybe helps.“

Und tatsächlich: Er baut kurzerhand die Leitung ab, pumpt das Kühlmittel aus dem Spenderwagen ab und füllt es bei uns ein. Ganz ruhig, als wäre das die normalste Sache der Welt. „Good as new,“ sagt er mit einem zufriedenen Nicken.

Wir stehen da, völlig baff.
„Wie viel bekommen Sie?“ frage ich.
Er winkt ab.
„Gar nichts?“
„Nein, nein. Ihr braucht’s mehr als ich.“

(Ich schwöre, in dem Moment würde ich ihm am liebsten monatlich eine Kiste Astra auf Lebenszeit schicken)

Ich grinse. „Dann vielleicht noch eine Kleinigkeit? Könnten Sie kurz die Muttern an unseren Scheibenwischern festziehen?“
Er lacht, greift zum Werkzeugkasten und macht sich an die Arbeit. Ein echter Schraubengott.

„Geiles Land. Geiler Typ,“ sage ich, als wir wieder auf die Straße rollen.
Und zum ersten Mal seit Tagen schnurrt der Disco wie ein zufriedenes Tier, zumindest glaube ich das.

 

Dart, Bier und Baustellengeschichten

Das Hotel ist noch immer so seltsam gemütlich wie beim letzten Mal. Unter der Bar, im Keller, spielen ein paar Schweden Dart. Sie haben offensichtlich schon einige Spiele Vorsprung und einige Bier.

„You from Germany?“ fragt einer.
„Ja, Hamburg.“
„Ah! Worked there“ grinst er.
Und schon sind wir mittendrin in einer Kneipengeschichte, die irgendwo zwischen Baustelle und Bundesliga endet. Zwei Bier später geht’s ab in die Koje, ohne Menschen aus Schweden!

Der Morgen danach

Am nächsten Morgen dann der Dämpfer: Kühlmittelbehälter leer. Wieder.
„Entweder hat uns nachts jemand das Zeug geklaut,“ murmele ich, „oder der Schlauch hat endgültig aufgegeben.“
Ich tippe auf Letzteres.

Also: neue Mission. Baumarkt finden.
Google Maps zeigt: Bauhaus. Natürlich.
„Das ist ja wie IKEA, nur andersrum,“ meint jemand.

 

Operation Teflon

Drinnen riecht es nach Metall, Gummi und Kaffee, also nach Zuhause.
Ich besorge Teflonband und ein Paket „Tesa Extra Power Extreme Repair“. Schon der Name klingt nach Superheld.

Draußen, auf dem Parkplatz, beginnt die Operation.
Schlauch trocknen, Teflonband sauber und straff drumwickeln, dann Schicht zwei mit dem Tesa-Band. Zug um Zug, wie ein Gipsverband.
„Das hält,“ sage ich.
„Woher weißt du das?“
„Weil es muss.“

 

 

 

 

Der letzte Ritt

Noch kurz beim Autozubehör vorbei, Kühlmittel nachgefüllt, richtigen Farbe gefunden und neu versteht sich und ein verkaufender Schwede erzählt uns, dass er genau denselben Discovery einmal besessen hat.
„A good car,“ sagt er. „But… needs love.“


Wir nicken. Das ist wohl die höflichste Art zu sagen, dass man eine Schraubensammlung auf Rädern fährt.

Dann geht’s los. Linköping, weiter in den Süden (aus Schweden-Sicht, wohnen wir als Hamburger im Süden, auch irgendwie seltsam), rein nach Deutschland.

Der Motor läuft. Kein Tropfen fehlt. Der Sound des Diesels ist Musik.
Die Sonne sinkt, die Straßen werden vertrauter, und irgendwann steht auf dem Schild: Hamburg.

 

Stille im Wagen.
Dann Jubel.

Wir haben’s wirklich geschafft, ohne Panne, ohne Drama, ohne neue Überraschung. Nur mit einem Stück mehr Erfahrung und einem doppelt so dicken Kühlerschlauch.

 

Ankommen

Am nächsten Morgen stehen wir vor dem Haus, noch halb im Reisemodus. Der Disco ist schmutzig, aber stolz.
„Na, geschafft?“ fragt der Nachbar über den Zaun.
„Ja. Er auch,“ antworte ich und klopfe auf die Motorhaube.

Die kommenden Tage kümmern wir uns um all das, was die Reise überlebt, aber nicht überstanden hat.

Aber heute? Heute ist einfach nur Ankommen.

Ich schreibe in mein Notizbuch:
„Schweden: bestanden. Discovery: lebt. Wir: auch.“

Wir lesen uns.

Kapitel 13 - soon

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